Inhaltsverzeichnis:
- Was ist Alginat
- Der Rohstoff aus dem Meer
- Alginat in der Kosmetik
- Alginat in der Medizin
- Alginat in der Kunst
- Alginat in der Küche
- Alginat als Abformmasse
- Alginat im Vergleich
- Alginatabformungen
- Von der Abformung zur Skulptur
- Gießmassen
- Vorbereitung der Abformung
- Die Entformung
- Die Bearbeitung des fertigen Gießlings
- Abformung Schritt für Schritt
- Abformung von Reliefs
- Abformung von Gegenständen
- Körperabformungen
- Handabformungen
- Fußabformungen
- Gesichtsabformungen
- Kopfabformungen
- Torsoabformungen
- Genitalabformungen
- Wohin mit den Resten?
Was ist Alginat
Meeresalgen und Tang bilden die Basis von Alginat. Vermischt mit Wasser wird es zu einem elastischen Gel, mit dem extrem genau Abdrücke von allen erdenklichen Vorlagen gemacht werden können. Die große Detailtreue, die damit erreicht wird, wird in erster Linie in der Zahnmedizin genutzt: Der Hauptverwendungszweck von Alginat liegt in der Herstellung von Zahn- oder Kieferabformungen. Aber auch als Trennmittel wird Alginat verwendet. Als Lösung angewendet, verhindert es, dass sich bestimmte Substanzen verbinden. Alginat ist als natürliche Substanz gesundheitlich unbedenklich und kann deshalb besonders gut für Körperabformungen verwendet werden.
Alginat - Ein ganz besonderer Stoff
Betrachtet man Alginate mit den Augen eines Chemikers, dann haben sie den Charakter von Polysaccharid-Derivaten, also Mehrfachzuckern mit mehr als zwei Zuckermolekülen, allgemein bekannte Polysaccharide sind zum Beispiel Stärke oder Zellulose. Diese Mehrfachzucker bestehen aus Kohlenstoff und Wasser und gehören zur Gruppe der Kohlenhydrate. Als Derivat werden Stoffe bezeichnet, bei denen ein Wasserstoffatom gegen ein andere ausgetauscht wurde. In der Arzneimittelindustrie werden Derivate genutzt, um aus medizinisch wirksamen Stoffen, gleich oder noch besser wirksame Substanzen zu entwickeln, die aber eventuell weniger Nebenwirkungen aufzeigen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Acetylsalicilsäure, die den medizinisch wirksamen Bestandteil von Aspirin darstellt. Sie ist ein Derivat der Salizylsäure, die weit weniger gut vertragen wird.
Alginate kommen in den Zellwänden der Braunalgen zusammen mit Zellulose vor. Während die Zellulose dafür sorgt, dass die Zellwände die nötige Festigkeit besitzen, bildet das Alginat zusammen mit Wasser eine schleimig-gallertige Masse in der Zellwand, in die die Cellulose-Bestandteile, die Fibrillen (langgestreckte Strukturen), eingebettet sind. Unlösliche Alginatgele verstärken die Zellwand zusätzlich und sorgen dafür, dass die Braunalge auch bei starker mechanischer Belastung, zum Beispiel durch die Meeresströmung, standhält.
Zusammensetzung und Abbindereaktion von Alginat
Alginate gehören zu den irreversibel (unumkehrbar) erhärtenden elastischen Abformmaterialien, das heißt einmal ausgehärtet, lässt sich die Abformung weder verändern, noch in einen verarbeitbaren Brei zurückverwandeln. Im Alginatpulver sind Natrium- und Kaliumsalze enthalten, die sich leicht in Wasser lösen. Ein weiterer Bestandteil ist Kalziumsulfat, um die Abbindereaktion zu verzögern wird Natriumphosphat hinzugegeben. Vermischt man das weiße Alginatpulver mit Wasser, dann binden sich die schwer löslichen Kalziumionen (aus dem Kalziumsulfat) mit den wasserlöslichen Makromolekülen des Alginats. Daraus entsteht Kalzium-Alginat, das in Wasser nicht löslich ist. Das sichtbare Ergebnis dieser chemischen Reaktion zwischen den Alginatsalzen und dem Kalziumsulfat ist ein elastisches Gel, das schließlich zu einer festen Masse wird. Der Verzögerer Natriumphosphat verlangsamt diese eigentlich sehr rasch ablaufende Reaktion, indem er die Kalziumionen abfängt und bindet. Erst dann, wenn das Phosphat vollständig verbraucht ist, kann der Abbindevorgang so richtig in Gang kommen. Je nachdem, wie viel Verzögerer dem Alginat zugesetzt wird, unterscheidet man zwischen schnell und normal abbindenden Alginaten. Darüber hinaus kann die Abbindezeit auch durch die Wassertemperatur gesteuert werden: Warmes Wasser beschleunigt das Abbinden des Alginatbreis, kaltes Wasser verlangsamt die Reaktion. Die tatsächliche Verarbeitungszeit ist auf der Verpackung des Herstellers angegeben und bezieht sich in der Regel auf eine Wassertemperatur von 23 Grad.
Weitere Inhaltsstoffe im Alginatpulver verbessern die Verarbeitbarkeit. Je nach Hersteller sind verschiedene anorganische Füllstoffe wie Kieselgur, Talkum oder Zinkoxid enthalten. Diese bestimmen die Viskosität des Alginatbreis und erhöhen die Festigkeit des abgebundenen Materials. Je nach Einsatzgebiet werden Farbstoffe oder andere Zusatzstoffe beigemischt, um bestimmte Eigenschaften des Alginats zu erzielen. So werden zum Beispiel in der Dentaltechnik Geschmacksverbesserer beigemischt. Die Zutatenliste einer Alginatmischung könnte zum Beispiel so aussehen:
Gesundheitsgefährdende Stoffe:
- Kalium-Fluor-Titanat
- Kieselgur als FüllstoffUnbedenkliche Stoffe:Triethanolamin-Alginat
- Calciumsulfat Dihydrat (Gips)
- Tetranatrium- Pyrophosphat (TSPP)
- Magnesiumoxid
NatriumalginatAlginate für Körperabformungen und Zahnabdrücke sind staubfrei und frei von Glasfaserspänen oder anderen Stabilisatoren. Im Gegensatz dazu gibt es Produkte, die zur Verbesserung der Stabilität Späne enthalten. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass diese Alginate, die zum Teil auch als „Superalginat“ bezeichnet werden, keine signifikanten Vorteile haben. Der Umgang mit dem Material erfordert im Gegenteil die Einhaltung von sicherheitstechnischen Maßnahmen aufgrund des Fasergehaltes, der für den Laien oft schwer durchzuführen ist.
Materialeigenschaften
Aufgrund seiner besonderen Materialeigenschaften ist Alginat besonders gut geeignet, um vorhandene Strukturen detailgetreu abzubilden. Alginat wird als trockenes Pulver angeliefert und kann in dieser unscheinbaren Form gut aufbewahrt werden. Je nach Hersteller hat das Alginat unterschiedliche Farbnuancen. Immer aber wird es staub- und bleifrei geliefert, um gesundheitliche Schäden durch das Einatmen des Pulvers auszuschließen. Seine spezifischen Eigenschaften entfaltet die Substanz erst dann, wenn sie mit Wasser zu einem Alginatbrei angemischt wird:Wie viskos, also wie fließfähig der Alginatbrei ist, wird durch die Menge an zugegebenem Wasser gesteuert. Der Hersteller des jeweiligen Produktes gibt hier genaue Dosierungsanweisungen, die beachtet werden sollten, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.Durch die geringe Korngröße der Füllstoffe und durch die Art der enthaltenen Makromoleküle (Polymere, aus vielen gleichen Teilen aufgebaute Moleküle) kann sich die Alginatmasse sehr fein um die Strukturen legen und sie dementsprechend genau abbilden. Für das menschliche Auge reicht diese Genauigkeit bei weitem aus und man kann über die Feinheit nur staunen, mit der zum Beispiel bei der Körperabformung sogar Poren und kleinste Fältchen nachgebildet werden. Die Alginatabformungen dienen in der Regel zur Herstellung von Situationsmodellen, an denen sich der Ist-Zustand des Kiefers und der Zähne ablesen und das weitere Vorgehen planen lässt. Für die Herstellung von Kronen oder Inlays werden allerdings andere Materialien genutzt, die noch detaillierte Ergebnisse liefern können. Dies sind zum Beispiel Silikone, Polysulfide oder Polyethern.
Hat das Alginat abgebunden, ist es jedoch keinesfalls eine feste Masse, sondern fühlt sich eher an (und verhält sich auch so wie ein wabbeliger Pudding. Ausgesteiftes Alginat klebt nicht und behält auch seine Form, reißt aber leicht und ist nur in eingeschränktem Maß verformbar oder elastisch.
Nachdem das Alginat angerührt und die Abformung hergestellt wurde, kommt es zu einer Verdunstungsreaktion des Wassers, das locker zwischen den Makromolekülen gebunden ist. Je nachdem, ob die Abformung feucht oder trocken gelagert wird, quillt sie auf oder schrumpft durch die Verdunstung des Wassers ein. Daraus ergeben sich Änderungen in der Dimension, die sich auf das Modell auswirken, dass aus der Abformung hergestellt werden soll. Um ein wirklichkeitsgetreues Ergebnis zu erzielen, ist es wichtig, die Abformung möglichst sofort auszugießen. Länger als eine Stunde sollte man nicht damit warten. Allerdings gibt es im zahnmedizinischen Bereich mittlerweile Produkte, die bis zu fünf Tage gelagert werden können, ohne dass es zu relevanten Größenänderungen kommt.
Alginat gehört zur Gruppe der Hydrokolloide, das sind Substanzen, die überwiegend natürlichen Ursprungs sind und die Fähigkeit zur Gelbildung besitzen. Diese Hydrokolloide besitzen im abgebundenen Zustand Elastizität, so dass auch sich überlagernde Stellungen wiedergegeben werden können. Werden diese Stellen beim Abziehen „aus der Form gebracht“ bilden sie sich allerdings nicht immer zufriedenstellend zurück. Die Gefahr, dass die Abformmasse reißt kann dadurch begrenzt werden, dass die Dicke an solchen Stellen mindestens vier Millimeter beträgt.
Geschichte des Alginats
Der britische Chemiker und Pharmazeut Stanford gilt als Entdecker des glibberigen Stoffes. Im Jahr 1880 extrahierte er zum ersten Mal Alginsäure aus Braunalgen. Er entdeckte das Potential der Substanz und ließ sich das von ihm entwickelte Verfahren schon ein Jahr später patentieren. Um Algin zu extrahieren, wurde der Seetang in Wasser oder verdünnte Säure eingeweicht, mit Natriumkarbonat extrahiert und anschließend mit Säure ausgefällt.
Stanford gab dem Alginat auch seine Namen: Als „Algin“ bezeichnete er die löslichen Stoffe, „Algin Acid“ (Alginsäure) nannte er den ausgefällten Stoff, den man erhält, wenn man das Algin mit Säure mischt. In den Vereinigten Staaten wurde das Verfahren zur Extraktion von Alginat in seiner reinsten Form fast zeitgleich entwickelt und bereits 1896 von Krefting patentiert. Bis das Polysaccharid jedoch industriell gewonnen wurde, dauert es noch bis in die 1920er Jahre. Die kalifornische Kelco Company, die 1929 gegründet wurde, ist bis heute einer der größten Alginatproduzenten und hält verschiedene Patente für die Verwendung von Alginat, so zum Beispiel zur Nutzung von Alginaten als Bestandteil von strukturierten Fleischprodukten aus der Lebensmittelindustrie: Alginatgele für die Herstellung von strukturierten Fleischprodukten (DE68910011T2 14.04.1994)